Trakehner aus Kirov

Es muß wohl etwas dran sein an dem Sprichwort „Es ist nicht die Quantität, die entscheidet, sondern die Qualität“ – Rußland hat nie sonderlich viel Wert auf die Schönheit seiner Pferde gelegt, dafür waren aber ganz andere Faktoren von ausschlaggebender Bedeutung: Leistung, Ausdauer, Umgänglichkeit und Schnelligkeit spielten eine entscheidendere Rolle.

Es gibt nur ganz wenig Völker, die aufgrund der Weite ihres Landes stark auf die Leistungsfähigkeit ihrer Pferde angewiesen sind. Es ist außerordentlich schade, dass die heutige Zucht der GUS sich nicht mehr auf die Leistungsfähigkeit, die Ausdauer, die Zähigkeit ihrer Pferde konzentriert, sondern – um den Ansprüchen der westlich orientierten Kundschaft und dem europäischen Geschmack gerecht zu werden- vermehrt englisches, bzw. arabisches Blut einkreuzt, Leider gehen damit aber ganz entscheidende Merkmale der ehemals sowjetischen Pferderassen verloren. Schon jetzt sind kaum noch Bestände der originalen Rassevertreter vorhanden.

Aber auch Pferderassen, die erst im 19., bzw. 20. Jahrhundert in der ehemaligen UdSSR entstanden sind (Orlow, Budjonny, Tersker) zeugen von den einmaligen Eigenschaften der Ursprungsrassen (Streletzker, Orlow-Rostoptschiner, Don). Nur so ist zu erklären, warum sowohl Napoleons Armee, aber auch Hitlers Wehrmacht an den berittenen Armeen der Russen scheitern mussten: sie hatten für Russlands Weite und die dort herrschenden klimatischen Bedingungen die falschen Pferde!

links: Pomeranets, RASB 1, 68 – Fuchs, geb. 1952
Russisch gezogene Vollblutaraber, die nach russischen Wertmaßstäben gut waren, wurden dann auch in anderen Zuchten eingesetzt. Auf diese Weise fanden zwei Hengste im Gestüt Kirow ihre Heimat, die sich zuvor in Tersk bewährt hatten: Topol und Pomeranets. Pomeranets war in Tersk durch seine erstklassigen Stuten aufgefallen, die nicht besonders schön (arabischer Typ)waren, aber sie waren ideale Zuchtstuten. Topol wurde vor allem wegen seines Sohnes Naftalin, einer der besten russischen Vererber in Bezug auf Rennleistung bekannt. Topol und Pomeranets hatten denselben Vater: PRIBOJ! Dieser Priboj war derrussische Leistungsvererber schlechthin.

Priboj – der Leistungsvererber

Der Fuchs kam 1944 in Tersk zur Welt und war international gezogen: Vater Piolun stammte von dem Babolnaer Koheilan I aus der Polin Dziewanna, Mutter Rissalma kam aus dem englischen Gestüt Crabbet Park. Piolun war über seinen Großvater Koheilan IV und seine Mutter Dziewanna nahe verwandt mit Gama, der zweifachen Großmutter des Leistungsvererbers Bajar. Dass Priboj viel Leistung bewies, zeigte sich auf der Rennbahn: bei acht Starts wurde er sechsmal erster und zweimal zweiter. Dass er diese Leistung auch vererbte, bewies er durch seine Nachkommen: Sein Sohn Sport lief dreijährig über 3000 m und vierjährig gleich viermal Rekordzeit: über 1800 m, 2800 m, 3200 m und 4000 m. Sein Sohn Neron lehrte im Springparcours selbst Warmblüter das Fürchten, leider interessierte sich damals noch niemand für russische Vollblutaraber, so daß Neron relativ wenig Beachtung zuteil wurde.

Denn seine geringe Nachzucht ließ einiges ahnen: Koyano (ShA): HLP Sieger, Nimrod (ShA) erfolgreiches Vielseitigkeitspferd, Susdal (AV): eines der erfolgreichsten arabischen Rennpferde, leider in Deutschland nicht entsprechend erkannt und in die USA verkauft. Auch Pribojs Töchter liefen Rennbahnrekorde, einschließlich Podruga, deren Sohn Patron zwar früh einging, aber dennoch als Vater von Abdullah und Padron (Niederlande) Weltruhm erlangte.

 

(Zweites Bild: Priboj)

Mittlerweile sind Priboj-Nachkommen aber auch in den Rängen der Schauveranstaltungen vorn zu finden: Abgesehen von Kubinec, der gleich viermal Priboj im Pedigree hat, sind auch so bekannte Namen wie Penitent, Pilarka, Piruet und Piechur aus der Pribojtochter Piewica, nicht nur Leistungs-, sondern auch Schausieger. Vor allem aber der Derbysieger Pierrot und dessen Sohn Santhos, ebenfalls Sieger in vielen Rennen (NL) führen Priboj im Pedigree.

In Tersk führte von den Pribojsöhnen Topol über seinen Sohn Naftalin die Hengstlinie weiter, während Pomeranets die Mutterstuten lieferte. In Kirow lief es genau umgekehrt. Pomeranets stammte aus der Polin Mammona und dem bedeutenden polnischen Hengst Ofir, die aus dem polnischen Gestüt Janow Podlawski stammen.

Mammona

Als die Russen im Jahr 1939 das Gestüt besetzten, ehe die Deutschen kamen, brachte man Mammona als Saugfohlen zusammen mit ihrer Mutter Krucica zu Fuß 1800 km nach Tersk. Pomeranets war damit Vollbruder der höchst einflußreichen Stuten Malpia (Mutter von Muscat), Monopolia (Mutter der Monogramma), Neposeda (Mutter der Nega) und Metropolia (Mutter des Menes).

Diamanten aus russischen Leistungsgenen

Es wird selten erwähnt, aber in Insiderkreisen ist es kein Geheimnis mehr: Leistungsblut kommt aus Russland: Namen wie Hockey, Springwunder und Dressurtalent aus Kirow bei Rostow am Don, dessen Sohn Almox Prints (schwarzbrauner russischer Trakehner der Spitzenklasse) unter Anatoli Timchenko und Elmar Gundel Sieger in verschiedenen „Großen Preisen“, sowie sein Enkel Biotop, Bewegungskünstler von Grand-Prix-Format unter dem vor kurzem verstorbenen Dr. Reiner Klimke,

sowie der Hockeysohn Perechlest, der noch als Geheimtipp gehandelt wird, aber unter Weltmeisterin Ulla Salzgeber schon unterwegs zur Weltspitze ist. Was an diesen Pferden besonders auffällt? Ihre Leistungsbereitschaft – ihr Arbeitswillen – ihr Charakter! Wen wunderts!

Edinburg, Vater: Pomeranets – ein weiterer „Russe“ ebenfalls mit Pribojblut – ist auch schon unterwegs zu Dressurehren. Mit der Finnin Kyra Kyrklund gewann er bereits das Deutsche Derby in Hamburg.

Besonders Hockey, der in Kirow bereits als Beschäler -vor allem für Stuten, die schwer trächtig wurden – eingesetzt wurde, hatte bereits einen Namen, als er hier nur durch seinen Sohn „Prints“ im Springsport vertreten wurde. Seine Söhne und Töchter werden mit Sicherheit aber in Zukunft noch weitaus mehr für Furore sorgen.